Evangelische
Gemeinde Wien:
Auf
dem Boden unserer Gemeinde, vor allem aber in Hernals, gab
es schon in der Zeit der Reformation ein kräftig blühendes
evangelisches Gemeindeleben, das die Gegenreformation allerdings
ganz ausgerottet hat. Nach 160 Jahren ging aber die Saat
des Evangeliums auf dem Gebiet unseres Pfarrsprengels wieder
auf. Wenn wir nun über die Zeit von 1781 bis zur Gegenwart
berichten, dann müssen wir dessen eingedenk sein, dass
es ein Neuanfang war.
Die
Toleranzzeit:
Am
13. Oktober 1781 erließ Joseph II. "überzeugt
von der Schändlichkeit alles Gewissenzwanges und von
dem grossen Nutzen, der für die Religion und den Staat
aus einer christlichen Toleranz entspring", das Toleranzedikt,
durch welches den bisher stark unterdrückten und verfolgten
Evangelischen in Österreich beschränkte Religionsausübung
gestattet wurde. Die Evangelischen konnten nun, wo hundert
Familien vorhanden waren, Kirchengemeinden bilden, Bethäuser
errichten, wenn auch ohne Türme und Glocken und ohne
öffentlichem Eingang von der Strasse, Schulen ins Leben
rufen und Pastoren und Schulmeister berufen.
Die
etwa 3000 Evangelischen Wiens und der Umgebung schlossen
sich zunächst zu einer Gemeinde zusammen mit dem Zentrum
in der Inneren Stadt, Dorotheagasse 18. Die Kirche des "Königsklosters"
mit Nebengebäude, 1783 vom Magistrat der Stadt Wien
erworben, wurde ausgebaut und von dem ersten Pfarrer und
Superintendenten für Innerösterreich, Pfarrer
Fock, am 30. November 1783 eingeweiht.
Von
1783 an war für den evangelischen Religionsunterricht
gesorgt, seit 1784 hatten die Evangelischen einen eigenen
Friedhof, 1794 wurde eine zweiklassige gemeinschaftliche
Schule der beiden Wiener Gemeinden A.B. und H.B. eröffnet;
ab 1821 gibt es eine evangelisch-theologische Lehranstalt
in Wien. Mit dem Regierungszirkular vom 10. Dezember 1829
wurde den Seelsorgern A.B. u.H.B. die Befugnis erteilt,
in Zukunft eigene Tauf-, Trauungs,- und Beerdigungsmatrikeln
zu führen.
Da
die Wiener Gemeinde zu gross wurde, und die Leute zu weit
zum Gottesdienst hatten, wurde 1844 in Gumpendorf ein Grund
für eine Filialkirche gekauft und das neue Gotteshaus
1849 eingeweiht.
Die
Zeit der Gleichberechtigung:
Am
8. April 1848 übersandten die Vorsteher und Repräsentanten
der Wiener Evangelischen Gemeinden A.und H.B. Ferdinand
I. ein Gesuch mit der Bitte um Gleichstellung der Evangelischen
und Katholiken und um Aufhebung aller jener Gesetze, welche
die Protestanten gegenüber den Katholiken benachteiligten.
Am 30. Jänner 1849 ordnete Franz Joseph I. durch Ministererlass
an, dass die Protestanten von nun an nicht mit der Benennung
"Akatholiken", sondern als "Evangelische
Augsburgischen oder Helvetischen Konfession" zu bezeichnen
sind. Die Modalitäten, wonach der Übertritt von
einem christlichen Bekenntnis zum anderen zu geschehen hat,
wurden festgelegt, die Führung von Matrikeln den evangelischen
Seelsorgern übertragen und die Rechtsgültigkeit
ihrer Matrikelscheine zugestanden. Stolgebühren und
andere Abgaben an die katholische Geistlichkeit wurden aufgehoben,
die Vorschriften über das Aufgebot bei evangelischen
Ehen und Mischehen geregelt. Im August 1849 fand in Wien
eine Tagung sämtlicher Superintendenten und Vertrauensmänner
der Evangelische Kirche A. und H.B. in Österreich statt,
um über die Neugestaltung der Verfassung zu beraten.
Die
volle Religionsfreiheit:
Das
Protestantenpatent vom 8. April 1861 gab den Evangelischen
in Österreich für "immerwährende Zeit
die volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung mit den
übrigen vom Staat anerkannten christlichen Konfessionen",
am Tag darauf erschien die provisorische Kirchenverfassung.
Nun konnte sich das evangelische Leben in Wien frei entwickeln.
1861
wurde der Gustav-Adolf-Verein gegründet, 1862 erfolgte
die feierliche Einweihung der von Theophil von Hansen erbauten
Schule auf dem Karlsplatz. Um diese Zeit zählte Wien
7.185 Evangelische und vier Pfarrer, neun Jahre später
schon 16.767 Seelen in den neun Bezirken Wiens und 4.454
in den Vororten und dem weiteren Pfarrsprengel. Dieses rasche
Wachstum brachte es mit sich, dass sich 1872 Korneuburg,
1873 Mödling und St. Pölten als Filialgemeinden
konstituierten. Und dann dauerte es nicht lange, bis sich
auch in den nordwestlichen Vororten Wiens die Sehnsucht
nach Gemeindebildung zu regen begann.
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erste Predigtstelle in Währing >>
Quelle: 60 Jahre Lutherkirche von OKR. Prof. Mag. Jakob Wolfer
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